Gemeinsames Forderungspapier von DIE LINKE. Landesverband Hessen und dem Kreisverband Frankfurt am Main
Zum Hintergrund:
Boden ist ein besonderes Gut. Boden ist knapp und - das ist entscheidend - nicht vermehrbar. Wem der Boden gehört, dem gehört die Stadt. Die Verfügbarkeit über Grund und Boden entscheidet, was wo gebaut wird und wie Immobilien genutzt werden können. Ohne bezahlbares Bauland sind kein bezahlbarer Wohnraum, keine gemeinwohlorientierte Nutzung und keine kulturellen Freiräume möglich. Die Bodenfrage ist daher ein Kernelement für eine soziale, ökologische und gerechte Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik.
Umso dramatischer ist es, dass in Hessen die schwarzgrüne Landesregierung und die Kommunen vielerorts die Kontrolle über Grund und Boden aus der Hand gegeben haben – und dies weiter tun. Öffentliche Grundstücke und Immobilien werden privatisiert und profitorientierten Investoren der goldene Teppich ausgerollt. Die Folgen sind Bodenspekulation, steigende Immobilienpreise, immer mehr überteuerte Luxuswohnungen, Leerstand und ein Mangel an sozialen Infrastrukturen und nicht-kommerziellen Orten.
Diese Form der verfehlten Boden- und Stadtentwicklungspolitik wird aktuell nirgendwo deutlicher als beim Umgang mit Landesliegenschaften in Frankfurt. Ob Altes Polizeipräsidium, Dondorf-Druckerei, Kulturcampus Bockenheim oder der Alte Bio-Campus im Westend: Überall wurden oder werden Flächen an Private verkauft, soziale und kulturelle Nutzungen blockiert und die Bevölkerung übergangen. Diese Beispiele zeigen: Gemeinwohlinteressen spielen in der Bodenpolitik der schwarz-grünen Landesregierung kaum eine Rolle und die Frankfurter Stadtregierung tut viel zu wenig, um dem etwas entgegenzusetzen. Beides muss sich dringend ändern. Die Gelegenheit hierfür ist günstig. Aktuell steckt die Immobilienwirtschaft in einer tiefen Krise. Jüngstes Beispiel ist die Insolvenz des Düsseldorfer Projektentwicklers Gerchgroup AG, der 2018 das Alte Polizeipräsidium in Frankfurt zum überteuerten Höchstpreis von über 212 Millionen Euro vom Land gekauft hat, ohne das Areal seither zu entwickeln.
Die Zukunft des Alten Polizeipräsidiums ist nun mehr denn je unklar. Es deutet aber viel darauf hin, dass dies nicht die letzte Pleite in der Immobilienbranche gewesen sein dürfte. Gleichzeitig regt sich an vielen Orten Protest gegen die herrschende Stadtentwicklungspolitik. Zuletzt wurde in Frankfurt die ehemalige Dondorf-Druckerei besetzt und für knapp drei Wochen als selbstverwaltetes kulturelles Zentrum genutzt. Solche Initiativen von unten müssen gestärkt, bezahlbarer Wohnraum sowie soziale und kulturelle Nutzungen ermöglicht werden. Das Alte Polizeipräsidium, die Dondorf-Druckerei und der Kulturcampus brauchen jetzt einen Neustart. Stadtentwicklung und Bodenpolitik müssen sozial, ökologisch und gerecht werden – in Frankfurt und ganz Hessen.
Als DIE LINKE fordern wir:
- Altes Polizeipräsidium zurückkaufen und gemeinwohlorientiert entwickeln.
Statt auf den weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens bei der Gerchgroup AG zu warten, müssen Stadt und Land die Krise des Projektentwicklers nutzen, um das Alte Polizeipräsidium zu einem angemessenen Preis zurückzukaufen und es selbst zu entwickeln – etwa durch die landeseigene Wohnungsgesellschaft Nassauische Heimstätte/Wohnstadt (NHW) oder die städtische ABG Holding. Statt privater Profite müssen dabei eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung, mehr bezahlbarer Wohnraum und soziale Infrastrukturen für alle im Zentrum stehen. - Dondorf-Druckerei erhalten und Kulturcampus verwirklichen
Die ehemalige Dondorf-Druckerei muss aus geschichts und aus klimapolitischen Gründen unbedingt erhalten werden. Stadt und Land müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik einen alternativen Standort erhält und die Dondorf-Druckerei als selbstverwaltetes kulturelles Zentrum Teil des geplanten Kulturcampus wird. Auch darüber hinaus müssen die Planungen für den Kulturcampus endlich beschleunigt und konsequent sozial, ökologisch und demokratisch ausgerichtet werden. Statt Luxus-Wohntürmen, überteuerten Mikro-Apartments und zugemauertem Leerstand braucht es einen echten Kulturcampus von unten. - Bodenspekulation verhindern und Baugebot nutzen
Die Stadt muss künftig konsequent dagegen vorgehen, dass Eigentümer*innen ihre Grundstücke, für die Baurecht vorliegt, nicht bebauen, um sie später mit Gewinn weiterzuverkaufen. Gegen diese Form der Bodenspekulation, bei der keinerlei Nutzen für die Bewohner*innen der Stadt entsteht, muss das Baugebot genutzt werden. Damit kann die Stadt Eigentümer*innen verpflichten, innerhalb einer Frist (z.B. drei Jahre) nach Festsetzung des Bebauungsplans mit dem Bau zu beginnen. Sind die Eigentümer*innen weiterhin nicht zu einer Bebauung bereit, kann das Grundstück in einem letzten Schritt an die Stadt fallen und in der Folge z.B. durch öffentliche Wohnungsgesellschaften wie die NHW und die ABG Holding oder durch gemeinschaftliche Wohnprojekte entwickelt werden. - Leerstand bekämpfen und Abriss erschweren
Spekulativer Leerstand und Wohnraumzweckentfremdung entziehen dem Wohnungsmarkt dringend benötigte Wohnungen. Die vorherrschende Abrisskultur ist klimaschädlich und erschwert eine soziale Stadtentwicklung. Daher muss das Gesetz gegen Leerstand und Wohnraumzweckentfremdung wiedereingeführt werden. Es soll so verschärft werden, dass Abriss erschwert und die rasche Wiederherstellung von zweckentfremdetem Wohnraum sichergestellt wird. Zudem müssen Kommunen dabei unterstützt werden, Leerstand systematisch zu erfassen und diesen in Notsituationen vorübergehend beschlagnahmen zu können (z.B. zur akuten Unterbringung Geflüchteter und anderer vulnerabler Gruppen). Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich mit Besetzungen und anderen Mitteln des zivilen Ungehorsams für eine zweckmäßige Nutzung von leerstehenden Gebäuden oder Freiflächen einsetzen, müssen entkriminalisiert werden. - Privatisierung stoppen und Bauland als Gemeingut sichern
Grund und Boden dürfen nicht länger Profitzwecken dienen. Durch ein Bodensicherungsgesetz auf Landesebene sollen alle unmittelbar und mittelbar landeseigenen Immobilien und Grundstücke in Zukunft vom Verkauf an Private ausgeschlossen werden. Ebenso muss die Stadt Frankfurt alle Privatisierungen von Grund und Boden stoppen. Öffentliche Flächen sollen in Zukunft nur noch für öffentliche und gemeinnützige Bauvorhaben – insbesondere des sozialen Wohnungsbaus und sozialer Infrastrukturen – zu günstigen Konditionen in Erbpacht bereitgestellt werden. - Bodenfonds aufbauen und Bodenpreisdeckel einführen
Der landeseigene Liegenschaftsfonds, der mit einem Teil der Verkaufserlöse aus dem Alten Polizeipräsidium in Höhe von bis zu 60 Millionen Euro neue Grundstücke kaufen und für bezahlbaren Wohnraum in der Rhein-Main-Region zur Verfügung stellen sollte, hat in fünf Jahren lediglich ein einziges (!) Grundstück erworben. Die Mittel hierfür müssen aufgestockt und in Frankfurt sowie ganz Hessen muss eine aktive, langfristige und demokratisch kontrollierte Bodenbevorratung auf den Weg gebracht werden – gerade jetzt in der Immobilienkrise. Zudem müssen alle landesrechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, den Anstieg der Bodenpreise zu deckeln sowie Bodenwertzuwächse und Planungsgewinne abzuschöpfen.
Download:
Forderungspapier - Macht Stadtentwicklung und Bodenpolitik sozial und gerecht.