- Eine Auswirkung der Coronakrise sind sinkende Gewerbesteuereinnahmen. Viele Kommunen sehen sich daher zu Kürzungen im Bereich der freiwilligen Leistungen gezwungen. An erster Stelle steht häufig die Kultur. Linke Kulturpolitik will die Vielfalt kultureller Milieus fördern und kulturelle Teilhabe ausbauen. Um kulturelle Teilhabegerechtigkeit zu realisieren, muss Kultur wohnortnah und dezentral sein. Die kulturelle Infrastruktur der Kommunen, der Länder und des Bundes gilt es erhalten, weiter zu entwickeln und für alle zugänglich zu machen: Kultur muss daher eine pflichtige Aufgabe der Kommunen werden und auch zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen, denn die Länder und Kommunen können nicht allein den Großteil der Hilfsmaßnahmen tragen. Weitergehend fordern wir, das „Staatsziel Kultur“ im Grundgesetz zu verankern.
- Um Kunst- und Kultur krisenfest zu gestalten, braucht es eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Kulturschaffenden und umfassende Reformen der Kulturförderung. Die inzwischen dauerhaft »installierten prekären Verhältnissen« der Künstlerinnen müssen überwunden werden. Deshalb will die LINKE, dass die Hilfsprogramme von Bund und Länder auch diejenigen im Kulturbereich in den Fokus nehmen, die den Kulturbetrieb am Laufen halten, aber keine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse aufweisen. Soloselbständige, Selbständige und freiberuflich Tätige in der Kultur- und Veranstaltungsbranche werden derzeit auf den vereinfachten Zugang in die Grundsicherung verweisen, doch Harz IV ist Armut per Gesetz und auch der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung viel zu bürokratisch. Vor diesem Hintergrund fordern wir für Soloselbständige, Selbständige und freiberuflich Tätige in der Kultur-, Kreativ- und Veranstaltungsbranche eine temporäre monatliche Pauschale in Höhe von 1.180 Euro.
- Wir wollen nicht nur Kultur, sondern auch Kunst für alle! Warum nicht also aus früheren Krisenzeiten lernen? Während des New Deals wurden im Rahmen des „Federal Art Projects“ unzählige Künstlerinnen von der öffentlichen Hand beauftragt, öffentliche Räume künstlerisch zu gestalten. Die Künstlerinnen wurden zeitlich begrenzt Mitarbeiterinnen der öffentlichen Hand und tariflich entlohnt. Wir fordern diesen Ansatz auf Bundes- und Länderebene aufzugreifen. Schulen, Behörden, öffentliche Räume, die dringenden Sanierungsbedarf haben, könnten so künstlerisch-ästhetisch neugestaltet werden. Darüber hinaus sollen auch Theater und Konzerte in öffentlichen Anlagen, Parks oder Höfen, Gärten etc., allen angeboten werden.
Konkret will die LINKE sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene einen Kulturfonds für den Zeitraum von zwei Jahren einrichten. Dieser hat zwei Aufgaben: Im Rahmen von „Federal Arts“ (FA)werden Künstlerinnen und Kulturschaffende auf freiwilliger Basis fest angestellt. Der Fonds wird aus Bundes- und Landesmitteln finanziert. Der Bundesanteil soll ca. 6 Mrd. Euro betragen und ausschließlich für Personalkosten und gegebenenfalls Pauschalen vorgesehen sein. Gemeinsam mit den Kommunen sollen Kulturbeiräte berufen werden, die in Abstimmung mit den Bewohnerinnen über eingereichte Projekte abstimmen. Die Landesmittel sollen ca. 100 Millionen Euro umfassen und für Sach- und Betriebskosten eingesetzt werden, um die kulturelle Infrastruktur zu erhalten. - Kunst, Theater, Konzert, Literatur, Soziokultur dürfen in Krisen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die LINKE will nicht, dass Kunst und Kultur zu einer Angelegenheit privilegierter Milieus und Klassen wird. Deshalb sollen in einem ersten Schritt, analog zu anderen europäischen Ländern (wie z.B. Spanien), Museumsbesuche wieder kostenfrei sein. Auch Theaterprogramme wie die „Kulturlogen“ oder Kulturpässe sind möglichst allen zugänglich zu machen. Kulturelle Teilhabegerechtigkeit darf eben nicht nur ein vages Konzept bleiben, sondern muss erweitert und vertieft werden.
- Kulturelle Bildung und ästhetische Erziehung sind besonders für Kinder und Jugendliche von herausragender Bedeutung. Um struktureller Benachteiligung entgegenzuwirken, sind Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien in besonderer Weise zu berücksichtigen und zu fördern. Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten, Schulen, Künstlerinnen, Pädagoinnen und kulturellen Institutionen braucht eigene Landesförderprogramme. Bildungsgutscheine helfen nicht, denn sie sind kompliziert, materiell lächerlich, und bürokratisch.
- Deutschland ist schon lange ein Einwanderungsland. Dies erkennt auch zunehmend, wenn auch zögerlich, die deutsche Mehrheitsgesellschaft an. Hessens Kulturbetriebe sind allerdinds nicht so divers, wie es das Land Hessen ist. Wir fordern daher eine umfassende Diversitätsentwicklung in hessischen Kulturbetrieben. So können unterschiedliche Perspektiven sichtbargemacht werden und Barrieren zu Kunst und Kultur abgebaut werden.
Begründung:
Die Covid-19-Krise führt uns vor Augen, wie prekär und fragil es um den Kunst- und Kulturbereich mitsamt der darin tätigen Akteurinnen bestellt ist. Durch die Prekarisierung von Kulturschaffenden und einer knapp finanzierten kulturellen Infrastruktur wird jede Krise zum Existenzkampf. Die soziale Sicherheit von Künstlerinnen und Kulturschaffenden ist dabei keine Neben-, sondern eine Hauptsache. Doch es sind nicht nur die dezidiert künstlerisch Tätigen, die durch Einnahmeausfälle schwerlich bis gar nicht ihre Lebenshaltungskosten bestreiten können, sondern auch die Menschen, die im Hintergrund organisieren, wie z.B. freie Techniker:innen, Produktionshelfer:innen und andere verwandte Berufsgruppen, die wie Künstler:innen von der aktuellen Krisensituation betroffen sind. Doch auch vor der Corona-Pandemie fand Kultur unter so prekären Bedingungen statt, dass Planungssicherheit und Unterfinanzierung als normal hingenommen wurden. Befristete, niedrige und außertarifliche Entlohnungen lassen keine Rücklagenbildung zu. Die zunehmende Projektförderung, häufig verknüpft mit Wettbewerben, Preisen, Ausschreibungen und hochgradiger Konkurrenz, führen zur Kannibalisierung von freien Gruppen, Verbänden und Vereinen. Planungssicherheit über mehrere Jahre wird bewusst unterlaufen. Das „Kunstprodukt“ wird auf Tauschwert und Rendite getrimmt.
Die Landesregierung und Hessische Kulturstiftung vergeben dreimonatige Arbeitsstipendien in Höhe einer einmaligen Auszahlung von 2.000 Euro und damit weniger als 666 Euro pro Monat. Grundlegende Lebenshaltungskosten lassen sich mit einer symbolischen Summe nicht bezahlen. Zudem setzt die Stipendienförderung eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse (KSK) aus. Nicht alle Kulturschaffenden erfüllen die Voraussetzungen der KSK und sind somit von dem Stipendienprogramm ausgeschlossen. Das von der LINKEN geforderte „FA“ stellt einen ganzheitlichen Ansatz dar, um Kulturschaffenden soziale Sicherheit zu bieten und ihre Arbeit vielen Menschen zugänglich zu machen.
Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik: Besonders in Krisenzeiten braucht es kreative Impulse, gesellschaftliche Debatten und mutige Ideen für Transformationen. Denn eines ist gewiss: neben der Corona-Krise leben wir in Zeiten der Klimakrise und erleben zahlreiche humane Krisen an den Grenzen Europas und darüber hinaus.
Die Krisenrealität wirft eine Vielzahl von Fragen auf: „Wie verteilen wir gesellschaftlichen Wohlstand und Arbeit?“, „Wie gestalten wir unsere Lebens- und Konsumweisen ökologisch nachhaltig?“, „Was heißt »gutes Leben«? Wem kommt gutes Leben zu, wem wird es vorenthalten?“ Im Rahmen eines sozial-ökologischen Umbaus müssen wir unsere Lebensweisen ändern – Kunst und Kultur können hier gesellschaftsverändernd, kreativ und impulsgeben wirken, denn Kommunikation, Mobilität, Lebens- und Produktionsweisen sind kulturell vermittelt. In Krisenzeiten braucht es einen Kompass, der neue Wege und Denkansätze aufzeigt. Kunst und Kultur können Orientierung schaffen – wir sollten das Angebot annehmen.