Anna Weirich (Faire Mobilität DGB), Natalie Maurer (Uni Gießen), Jörg Cezanne (MdB, DIE LINKE) diskutierten die Auswirkungen der gegenwärtigen EU-Politik und ihren Einfluss auf die Arbeitsbedingungen im Veranstaltungsraum des Ostpol in Offenbach. Moderiert wurde die spannende Veranstaltung von Gewerkschafterin Desirée Becker, der Europawahlkandidatin aus Hessen.
Anna Weirich berichtet davon, dass z.B. fehlende Sprachkenntnisse und eine hohe Abhängigkeit, sowie Alternativlosigkeit der prekär Arbeitenden von den Arbeitgeber*innen ausgenutzt werden, um die Arbeits- und Lohnverhältnisse zuungunsten der Beschäftigten auszulegen.
Jörg Cezanne bemängelt eine unzureichende Entsenderichtlinie innerhalb der EU-Staaten, die zwar Freizügigkeit des Individuums zulassen, aber aufgrund sehr unterschiedlicher Arbeitsbedingungen z.B. zu fehlenden Rentenansprüchen oder mangelnder Übertragbarkeit von Rechten führen.
Dies liege an dem „Konstruktionsfehler“ der EU, die vorrangig als Wirtschaftsunion konzipiert ist und zu wenig Blick auf soziale Gleichheit der Menschen lege.
Auch würden kleine Versuche der Verbesserung auf EU Ebene wie z.B. zu einheitlichen Tariflöhnen europaweit, von stimmstarken Mitgliedsländern wie der Bundesrepublik immer wieder blockiert.
Natalie Mauer von der Refugee Law Clinic (https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb01/studienprofil/rlc)
in Gießen sorgt sich hin dessen vor allem um die nicht vorhandenen Rechte von Arbeitenden aus sogenannten Drittstaaten, die mit unsicherem oder fehlendem Aufenthaltsstatus kompletter Willkür von Arbeitgeber*innen ausgesetzt sind. Lohnabzüge, unbezahlte Überstunden, Kündigung ohne Lohnauszahlung, keine Krankenversicherung und undokumentierte Arbeit seien an der Tagesordnung. Die Betroffenen können sich dagegen schlecht wehren, da sie sich aufgrund kurzer Beschäftigungszeiten sich organisieren können und zudem oft in einer doppelten Abhängigkeit leben. Die Arbeitgeber*innen zahlen nicht nur den (geringen) Lohn, sondern stellen auch eine Unterkunft. Der Verlust des Jobs bedeutet dann auch oftmals Obdachlosigkeit.
Auch ist der Rahmen, innerhalb derer Menschen mit unsicheren Aufenthaltsstatus ihre Recht geltend machen könnten, verschwindend gering und mit der ständigen Angst vor Abschiebung überlagert. Im Dialog mit dem Publikum wurden weitere Aspekte des Themas, wie die Steuerhinterziehung im großen Maße insbesondere in der Baubranche durch Subunternehmertum, sowie der neue faktische Arbeitszwang für Geflüchtete in einigen Kommunen kritisch diskutiert.
Die Diskutant*innen brachten auch einige Lösungsvorschläge ins Gespräch, welche zumindet einen Teil der jetzigen Probleme etwas abmildern könnte:
Ein Verbandsklagerecht und eine Institution wie die Arbeiterkammer, die es in einigen europäischen Ländern wie Litauen oder Österreich gibt, fordert Anna Weirich, um die Möglichkeiten des Individuums zu stärken und bestehendes Recht besser einklagen zu können.